Politikverbot für Frauen
Die deutschen Frauenrechtlerinnen befanden sich um 1900 in einem wahren Dilemma. Einige Fortschrittliche – darunter die erste Juristen Dr. Anita Augspurg – hatten erkannt, dass das Bürgerliche Gesetzbuch sehr gravierende Nachteile für Frauen enthielt, wie die finanzielle „Entmündigung“ von Ehefrauen. Sie schickten Eingaben an den Reichstag, um die Situation der Frauen zu verbessern, wurden aber nicht beachtet. Daraus zogen sie die Konsequenz, dass das Frauenwahlrecht eingeführt werden müsste, damit weibliche Abgeordnete mehr Rechte für Frauen durchsetzen könnten. Doch in den meisten deutschen Bundesländern gab es ein Politikverbot für Frauen. Das bedeutete konkret, dass sie nicht Mitglied in politischen Vereinen sein und nicht an politischen Versammlungen teilnehmen durften. Unter diesen Bedingungen war es fast unmöglich, für politische Rechte zu kämpfen.
Unterschiedliche Strategien
Da in Hamburg ein liberales Vereins- und Versammlungsgesetz galt, gründete Anita Augspurg dort 1902 mit einigen Gleichgesinnten den ersten deutschen Verein für das Frauenstimmrecht, der sich zwar langsam jedoch stetig im Deutschen Reich ausdehnte. Während SPD-Politikerinnen große Veranstaltungen organisierten und Resolutionen für das Frauenwahlrecht verabschiedeten, gingen die meisten bürgerlichen Frauenrechtlerinnen sehr vorsichtig vor. Sie vermieden öffentliche Aktionen und agierten in internen Kreisen. Nur die kleine fortschrittliche Gruppe traute sich, neue Wege zu gehen. Sie führte 1912 die erste und einzige öffentliche Kundgebung bürgerlicher Frauen für das Frauenwahlrecht durch: eine Kutschfahrt durch München. Was heute ganz harmlos klingt, kam damals einer Mutprobe gleich. Einige Teilnehmerinnen hatten große Befürchtungen, dass die Polizei einschreiten würde, was aber nicht passierte.
Zwiespältiger Erfolg
Obwohl die Frauenrechtlerinnen sich sehr engagierten und viele Petitionen in den Reichstag einreichten, hatten sie keinen Erfolg. Ohne die Revolution im November 1918 und Ausrufung der Republik wäre das Frauenwahlrecht erst später durchgesetzt worden. Viele aktive Frauen ergriffen damals die Chance und beteiligten sich an den Umwälzungen. Anita Augspurg war im Münchner Arbeiterrat engagiert, sie forderte u.a. einen Frauenrat, musste aber erleben, dass die Männer, die das Wahlrecht für Frauen eingeführt hatten, kein Interesse daran hatten, dass Frauen aktiv die Politik ein gestalteten. Sie kandidierte im Januar 1919 für den Bayrischen Landtag, bekam aber keinen guten Listenplatz und erhielt kein Mandat. Aufgrund dieser Erfahrung gehörte sie zu den Befürworterinnen einer Frauenliste bei den Wahlen.
Autorin: Bettina Bab, Kuratorium im Frauenmuseum Bonn
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie noch bis zum 28.4.2019 in der Ausstellung Frauenpolitischer Aufbruch des Frauenmuseums Bonn.